16.02.2016_Simon Kanzler – Talking Hands

Otis Sandsjö (Saxophon, Klarinette)
Daníel Bödvarsson (Gitarre)
Simon Kanzler (Vibraphon, Komposition)
Igor Spallati (Kontrabass)
Tilo Weber (Schlagzeug)

Das Einzelne im Ganzen in Einklang bringen mit dem Ganzen im Einzelnen. Die fünf Stimmen eines Ensembles synchronisieren mit einer Band, die aus fünf Stimmen besteht. Welche Nähe und Distanz weisen die einzelnen Elemente eines Systems zueinander auf und was bedeutet das für das System? Und wie beeinflusst das System wiederum das Verhältnis der subjektiven Partikel zueinander? Die ebenso simple wie komplexe Antwort auf all diese Fragen heißt Musik.

Musik im ursprünglichen Sinne ist Sphärenharmonie. In Simon Kanzlers Konstellationen finden unablässig Verschiebungen des Einzelnen im Ganzen statt. Improvisation ja, aber das Prinzip der individuell spontanen Äußerung um ihrer selbst willen ordnet sich einer Idee des unablässigen Zusammenrückens und Auseinanderdriftens auf unterschiedlichen Ebenen und Sphären unter. Wie in einem Hochhaus mit Wohn- und Geschäftsbereichen nebst Tiefgarage, in dem die einzelnen Etagen zu verschiedenen Tageszeiten unterschiedlich stark frequentiert sind. Und doch bleibt es immer dasselbe Haus.

Die Dynamik der Musik auf dieser CD manifestiert sich in einem unlösbaren Paradoxon. Hier treffen sich fünf Individualisten, deren gemeinsame Musik komplett anders klingen würde, wenn es nicht eben genau jene Persönlichkeiten in ihrer Einzigartigkeit wären, die sich hier treffen. Ein perfekter Zirkel mit einer Einschränkung. Ihre individuelle Unverwechselbarkeit ist für die Architektur des gemeinsamen Hauses zwar notwendig und doch zugleich völlig unerheblich.

Simon Kanzler beherrscht nicht weniger als die hohe Kunst der Sphärenharmonie. Nennen wir es Jazz, doch die seiner Musik innewohnende Fundamentaldurchdringung der Grundzusammenhänge der Welt ist so alt wie die Schöpfung selbst.

(Wolf Kampmann)

Pressestimmen

Er nutzt die besonderen klanglichen Qualitäten seines Instruments, wenn er etwa die schwebenden Töne des Vibrafons im zweiten Teil von „Perception of Time“ im Raum stehen lässt. Gleichzeitig ist Simon Kanzler aber auch am Austausch interessiert und da stößt er auf dem zweiten Album seiner Formation Talking Hands auf vier Musiker, die auch schwierigste rhythmische Partien mit Bravour meistern und gleichzeitig durch individuelle Beiträge bestechen.

War es auf dem ersten Album noch die Saxophonistin Anna Webber, so greifen auf „Dialogue“ gleich zwei Bläser ins Geschehen ein, der Saxophonist Otis Sandsjö und Geoffroy De Masure an der Posaune. Sandsjö ist ein vorsichtiger agierender Musiker, der Luft und Atem hörbar macht, sich aber auch in Tonkaskaden verlieren kann, de Masure ein echter Poltergeist, dessen kraftvoller Ausbruch in „Scabious Eruptions“ von herrlich unverstellter Power ist.

Nach wie vor dabei sind Igor Spallati und Tilo Weber an Bass und Schlagzeug, die den komplexen Stücken Kanzlers die nötige Bodenhaftung verleihen.

(Rolf Thomas Jazzthing Juni-August 2015)

simonkanzler.de