14.02.2017_Ronny Graupes Spoom

Ronny Graupe (7-seitige Gitarre)
Jonas Westergaard (Kontrabass)
Christian Lillinger (Schlagzeug)

„Ronny Graupe ist eines der hoffnungsvollsten Talente im deutschen Jazz“, schreibt das Schweizer Magazin Jazz’n More und ergänzt: „Mit seiner Traumbesetzung befindet er sich auf einem guten Weg.“ Diese Besetzung nennt sich auch Spoom und besteht aus dem Gitarristen Ronny Graupe, Bassist Jonas Westergaard und Schlagzeuger Christian Lillinger, allesamt bekannte Größen der Jazzszene. Als „Meeresbrandung trifft auf kreativen Urknall“ erklärt Graupe den lautmalerischen Namen seiner Band. Die Musiker fanden bereits 2004 zusammen und legen nun mit The White Belt ihr zweites PIROUET-Album vor. Darin beschwört das Trio um Ronny Graupe den steten musikalischen Neubeginn.

Der Name des Albums The White Belt verweist auf Graupes Verständnis von Musik. The White Belt, der weiße Gürtel, werde zwar von Anfängern getragen, so Graupe. „Für mich ist er jedoch der wichtigste von allen, denn er steht für Offenheit, für das Infragestellen. Als Anfänger kannst du nicht auf etwas Altbewährtes zurückgreifen.“ Das gelte auch in der Musik. The White Belt steht für den unbekannten Weg, den man beschreiten muss, den ständigen Neuanfang. Dabei begleiten ihn zwei Weggefährten, die sich ebenso gerne auf unbekanntes Terrain wagen.

Perkussives Riff und weißes Rauschen
Den dänischen Bassisten Jonas Westergaard traf Ronny Graupe während des gemeinsamen Studiums am Rytmisk Music Conservatory in Kopenhagen, Dänemark. Eine musikalische Liebe auf den ersten Blick. „Als ich ihn das erste Mal gehört habe, wusste ich, dass ich mit ihm spielen will“, erinnert sich Graupe. Jonas Westergaard zog es nach dem Studium zunächst nach New York, wo er mit Jazz-Größen wie Tim Berne, Herb Robertson und Oliver Lake spielte. Seit seinem Umzug nach Berlin gehört er zur festen Stütze der zeitgenössischen Jazzszene.

Einen „Drum-Revoluzzer“ nennt DER SPIEGEL den Schlagzeuger Christian Lillinger. Er spielte unter anderem mit Rolf und Joachim Kühn, Alexander von Schlippenbach und John Tchicai. Sein 2015 bei PIROUET erschienenes Album Grund erntete Kritiker-Lob und Bandkollege Graupe weiß: „Er hat eine Energie, die alles auf eine andere Ebene hebt.“

Ronny Graupes Spiel beschreiben die London Jazz News als „changierend zwischen perkussiven Riffs und weißem Rauschen. Manchmal spielt er lange Linien im Hintergrund, oder Blues, oder verzerrte Rock-Phrasen. Präzis, virtuos, verspielt.“ Die Liste seiner musikalischen Referenzen ist lang. Unter anderem stand er mit Richie Beirach, Joachim Kühn, Chris Speed und Pablo Held auf der Bühne.

Auf den Leib komponiert
„Mit Jonas und Christian verbindet mich der Drang, immer weiter in die Tiefen der Musik einzutauchen“, erklärt Graupe. Die CDs der Band sind Momentaufnahmen dieses Prozesses. The White Belt ist die dritte gemeinsame Veröffentlichung und der Hörer kann die künstlerischen Weiterentwicklung des Trios von Aufnahme zu Aufnahme mitverfolgen. In manchen Stücken ist der Verlauf kompositorisch vorherbestimmt; Improvisationsteile unterstützen dabei den Verlauf der Komposition. In anderen Stücken ordnet sich dagegen die Komposition der Improvisation unter. Im Stück Szenen auf dem Lande verzichtet Graupe gleich ganz auf einen komponierten Rahmen. Ob mit oder ohne Vorgabe, alle Musiker agieren gleichberechtigt. Das ist Ronny Graupe ebenso wichtig wie die Tatsache, dass er alle Stücke speziell für dieses Trio geschrieben hat und sie auch alle nur von diesem Trio gespielt werden. „Die Stücke entfalten ihren Klang nur in diesem Trio, nur mit diesen Musikern, nur mit diesem Repertoire“ betont der Berliner Musiker.

Neue musikalische Sprache
Das Stück Kappler Drehe (der Name einer Straßenkurve im Chemnitzer Westen) scheint von Anfang an gradlinig zu swingen. Doch aufgepasst, in Graupes Stücken ist selten
etwas so, wie es scheint. Die schwerelose Melodie von Sunset Setting fängt die Ruhe und das Schwebende der Abendstimmung ein. Die Sonne geht unter und verglüht schließlich im Meer. Elfenau (eine Art Herrenhaus am Ufer der Aare in Bern) ist eine Ballade, die an das Visionäre grenzt; geerdet durch Jonas Westergaards warmes bodenständiges Bass-Solo. In The White Belt, ein Stück für Sologitarre, startet Graupe mit einem volkstümlichen Dreiviertel-Feeling, das in ein verblüffendes Spektrum aus improvisierten Farben und Texturen mündet. In Conduct übernimmt das Schlagzeug die Führung. „In diesem Stück wird mit der Time, also im weitesten Sinne mit dem Rhythmus gespielt“, erklärt Graupe. „Man kann hinten, vorne oder in der Time spielen, schneller oder langsamer werden. Das hängt vom Bezugspunkt ab. In diesem Stück bestimmt das Schlagzeug über weite Teile die Interpretation der Time und die anderen Spieler folgen.“ In Iberia deutet sich das Spanien der Zukunft an. Bass und Schlagzeug bilden rhythmische Kontraste zu den fließenden Linien Graupes. Den Abschluss bildet das berückend schlichte und ätherische Anioł (Engel auf Polnisch).

Mit The White Belt erschafft Graupe aus der Asche der alten eine neue Sprache. Damit kreieren die Musiker eine persönliche Ästhetik und erfüllen meisterhaft ihren eigenen Anspruch: den musikalischen Neubeginn.

ronnygraupe.com

Foto © Katrin Lillinger