Charlotte Greve (Saxophon, Komposition)
Manuel Schmiedel (Klavier)
Marc Muellbauer (Kontrabass)
Moritz Baumgaertner (Schlagzeug)
Gewinner des Echo Jazz 2012 Newcomer of the Year
Das Lisbeth Quartett gehört zu den jüngsten Formationen des deutschen Jazz und ist doch mittlerweile alles andere als ein Newcomer. Saxofonistin Charlotte Greve, Pianist Manuel Schmiedel, Bassist Marc Muellbauer – das einzige ältere Semester in der Gruppe – und Drummer Moritz Baumgärtner mischen die deutsche Jazz-Szene seit knapp einem halben Jahrzehnt mit erfrischend leicht anmutendem Jazztiefgang auf, der einer Pose der Revolte nicht bedarf. Die Kritik in In- und Ausland war sich einig, dass mit dem Lisbeth Quartett etwas ganz Großes entsteht, dessen leidenschaftliche Selbstverständlichkeit sich in einen erfreulichen Gegensatz zur häufig konzeptüberladenen Lebensferne der deutschen Jazz-Routine begibt.
Nach den beiden Alben „Grow“ (2009) und „Constant Travellers“ (2011) legt das Lisbeth Quartett nun mit „Framed Frequencies“ sein drittes Album nach. Dieser Fakt allein verdient Aufmerksamkeit, da sich deutsche Jazzformationen oft nur für ein oder maximal zwei Projekte zusammenfinden. Wie nicht anders zu erwarten, zeugt „Framed Frequencies“ gleichzeitig von Kontinuität und Weiterentwicklung. Der Beständigkeit liegt zunächst die unveränderte Besetzung der Gruppe zugrunde. Alle vier Musiker sind zwar äußerst wandlungsfähig, haben aber in den letzten Jahren in ganz unterschiedlichen Projekten auch eine große Treue zur jeweils eigenen individuellen Sprache an den Tag gelegt. Wenn Greve, Schmiedel, Muellbauer und Baumgärtner zusammenkommen, wissen sie ganz genau, was sie voneinander erwarten dürfen. Dieses rückhaltlose Vertrauen der vier Musiker in die Verlässlichkeit der jeweils anderen sichert die Basis des auf vier gleich starken Säulen beruhenden Gebäudes auf „Framed Frequencies“.
Doch es gibt auch maßgebliche Veränderungen. Charlotte Greve und Manuel Schmiedel hat es aus der deutschen Hauptstadt nach New York verschlagen, Moritz Baumgärtner und Marc Muellbauer sind noch in Berlin. In Zeiten des globalisierten Jazz-Austauschs ist es kein Ding, von zwei unterschiedlichen Seiten des großen Teichs aus zu kommunizieren. Im Gegenteil, es tut der Band gut, dass sich zwei ihrer Mitglieder in New York einer Wirklichkeit stellen müssen, die einen Musiker mit ganz andere Herausforderungen konfrontiert als die vergleichsweise heile Jazzwelt in Deutschland. Wer in New York nicht erstklassig ist, geht gnadenlos unter. Die Ähnlichkeit von Berlin und New York wird immer wieder thematisiert, und doch wirken die beiden Metropolen wie zwei ungleiche Schwestern, die nach völlig unterschiedlichen Lebensentwürfen und –Perspektiven verlangen. Dieses duale Verhältnis zur Realität verleiht dem Lisbeth Quartett auf seinem dritten Album eine neue innere Spannung.
Zwischen den beiden Fraktionen der Band – was nur geografisch gemeint ist, nicht künstlerisch – liegt also nur ein Ozean. Aber immerhin ist es eben doch nicht weniger als genau dies: ein Ozean. Wenn man in dieser Situation zum Proben, Spielen oder Aufnehmen zusammenkommt, ist der Umgang mit Zeit unweigerlich ein ganz anderer. Das Lisbeth Quartett war schon immer thematisch sehr fokussiert, und doch spürt man auf der neuen CD eine Innigkeit und Verschworenheit, die in dieser Weise auf den beiden Vorgängern noch nicht zu konstatieren war. Die Stücke sind thematisch dichter, das Album wirkt in seiner Gesamtheit kohärenter.
Genau genommen ist das gar nicht verwunderlich, denn die CD hat auch erstmals eine thematische Klammer. Die Städte New York und Berlin sind in gewisser Weise Inseln, die eine buchstäblich, die andere eher spirituell und historisch. Die Insel ist das zentrale Thema, um das es auf „Framed Frequencies“ geht. Auch Charlotte Greve, von der auf der CD sämtliche Kompositionen stammen, verbindet mit dem Sujet Insel innere wie auch äußere Zustände. Situationen, so Greve, „die begrenzt sind. Sie haben einen klar definierten Anfang und ein klar definiertes Ende. Obwohl sie in einer Relation zu ihrer Umgebung stehen, sind sie zunächst unabhängig und führen ein Eigenleben, das sie von ihrer Umgebung deutlich unterscheidet.“
Auf einer Insel, so die Überlegung der Saxofonistin, verlaufen die Energieströme anders als in ihrem Umfeld. Die Begrenzung wirft die Energie in die Mitte zurück. Je kleiner der Inselzustand – der nicht immer nur räumlich, sondern auch zeitlich definiert sein kann – desto intensiver der Effekt. In diesem Sinne ist auch der Albumtitel zu verstehen. Die Konzentration aufs Wesentliche unter absoluter Optimierung der zur Verfügung stehenden Mittel. Auf „Framed Frequencies“ ist kein Ton zu hören, der für die Aussage des jeweiligen Stückes nicht wesentlich wäre. Die Band kommt nicht nur überhaupt auf den Punkt, sondern sie kommt stets sofort auf den Punkt. Ein fester, vorgegebener Rahmen setzt ein dynamisches Innenleben frei. Komposition wird nicht auf den Trigger für die Improvisation limitiert, sondern die improvisatorischen Möglichkeiten der einzelnen Protagonisten werden in die Komposition integriert.
„Framed Frequencies“ ist eine urbane, Kontinente und Generationen übergreifende Schatzinsel der Perspektiven, die sich aus über hundert Jahren Jazzgeschichte für die Zukunft auftun.